Nicht jeder, der im Netz nach Ahnen sucht, findet welche. Doch manchmal übersteigt das Ergebnis die kühnsten Erwartungen

Liebesklick für Ur-Großoma


Mein Urahn im Mittelalter: eine Königin? 
Eva Holtkamp ist 59 Jahre alt. "Natürlich habe ich", sagt sie vergnügt, "in meiner Schul- und Berufsausbildung nie etwas über den Umgang mit Computern gelernt. Aber durch meine jungen Ahnenforscher-Kollegen speichere ich heute alle meine Daten im Rechner, und seit drei Jahren besitze ich sogar einen eigenen Internet-Anschluss. Mir macht die Arbeit sehr viel Spaß, und wenn mein Computer für ein paar Tage ausfällt, bin ich schon auf Entzug."

Ahnenforscherin Holtkamp (ihre und weitere Internetadressen unten) ist nicht allein – im Gegenteil. Tausende Ahnenforscher gibt es schon im deutschsprachigen Raum, wahrscheinlich über eine Million weltweit. In den USA ist die Genealogie – so der Fachbegriff – bereits ein weitverbreitetes Hobby (www.genealogy.about.com). Englisch muss man erfreulicherweise nicht können, um per Computer nach den Ahnen zu forschen, nur für internationales Suchen ist das nötig.


Hier beginnt der Ahnenforscher seine Suche

Wo Fortgeschrittene stöbern


"Gerade junge Leute fragen uns auf Messen oder Ausstellungen regelrecht Löcher in den Bauch", berichtet Genealoge Günter Junkers. "Sie wollen möglichst viel über ihre Vorfahren herausbekommen, wissen aber nicht recht, wie das geht."

Junkers' Forscher-Kollegin Birgit Wendt stimmt zu: "Genealogie interessiert überraschend viele junge Leute zwischen 30 und 40. Die sind vielleicht durch das Internet zur Ahnenforschung gekommen, oder sie haben auf dem Dachboden alte Urkunden und Dokumente entdeckt."

Aber, schränkt sie ein: "Das Internet ist bei der Suche nach Informationen eine große Hilfe, aber nur ein bisschen Rumklicken reicht natürlich nicht." Deshalb unterhält Birgit Wendt als virtuellen Startpunkt Biggis List, bewusst angelehnt an die mit über 100000 Links ungeheuer umfangreiche Cindy's List.

Zudem ist Birgit Wendt Mitglied im Redaktionsteam der Zeitschrift Computergenealogie (www.computergenealogie.de ), betreut das Webverzeichnis von www.ahnenforschung.net und gibt Anfängern Tipps unter tipps.ahnenforschung. net/internet/.


Hallo, Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Großvater 
"Es macht einfach großen Spaß, wenn die Puzzleteile zusammenpassen und man sich ein Bild machen kann", erklärt Wendt. Nicht nur die eigene Abstammung und Familiengeschichte würde dadurch klarer, sondern auch die Geschichte insgesamt lebendig:

"Ich finde es spannend herauszufinden, wo man herkommt, was die Leute erlebt haben. Die haben in Kriegen gekämpft, sind ausgewandert."

All das lässt sich zwar auch Kirchenbüchern, Archiven, Bibliotheken, Stadtarchiven und alten Adressbüchern entnehmen. Aber im Netz geht manches leichter. Rezepte, Infos und Fotos aus alten Zeiten finden sich u. a. bei Ancient Faces (www.ancientfaces. com).

Ebenfalls ein guter Start: Die Infoseiten von Harm Rieper. Und auch in Newsgroups wie groups.google.com/groups?hl = de&group=de.sci.genealogie gibt es wertvolle Tipps und Kontakte.

"Das Internet hilft bei den Vorbereitungen, aber am Ende muss ich doch selbst ins Archiv fahren", sagt Günter Junkers. "Und je weiter man in der Zeit zurückgeht, desto schwieriger wird es, überhaupt Informationen zu finden."

Computerbegeisterte Ahnenforscher geben ihre Erkenntnisse in offene Datenbanken wie Gedcom oder Foko ein, damit andere Genealogen an die erstellten Stammbäume andocken können.

Fast jeder weiß im Rahmen der Recherchen von überraschenden Erlebnissen oder Kontakten zu berichten. "Wenn ich in ein Stadt- oder Kirchenbucharchiv gehe", sagt Eva Holtkamp, "bringe ich mittlerweile nicht nur meine eigenen Daten mit, sondern schlage auch für andere mir bekannte Ahnenforscher die gewünschten Informationen nach." Und Birgit Wendt lernte durch den Eintrag in einer Ahnenforschungs-Datenbank gar entfernte Verwandte in den USA kennen, deren Vorfahren 1870 ausgewandert waren.

"Man braucht", sagt sie, "nur ein paar Namen und Orte, um mit derartigen Nachforschungen zu beginnen. Wir tauschen inzwischen e-Mails und schicken einander Fotos, da ist tatsächlich ein familiäres Verhältnis entstanden."

Günter Junkers kann sich an seinen Funden manchmal richtig begeistern: "Es ist spannend herauszufinden, wer die Vorfahren sind. Ich wurde schon als Schüler angeregt, meine Großeltern nach ihren Eltern zu befragen. Und ich war stolz, dass ich damals den Stammbaum am weitesten zurück verfolgen konnte, weil mein Vater mir die Notizen des verstorbenen Großvaters überließ."

Der hatte eine – allerdings fehlerhafte – Stammtafel aus einer Stadtchronik abgeschrieben, in der auch der Flugzeugbauer Hugo Junkers vorkam. "Seitdem", so der Forscher, "spüre ich alten Urkunden und Bildern nach. Die Geschichte wird wieder lebendig. Ich komme sogar in Gegenden, in die ich sonst nie gefahren wäre. Beispielsweise schrieb mir ein Angehöriger aus Holland. 1780 hatte sich einer unserer gemeinsamen Ahnen als Soldat ins holländische Regiment gemeldet. Er besuchte mich, und gemeinsam fuhren wir zu einem alten Bauernhof, in dem es einen Balken gibt, auf dem unsere Vorfahren aus dem 18. Jahrhundert ihren Namen hinterlassen haben."

Auch der Schweizer Medizinphysiker und Ahnenforscher Dr. Wolfhart Seelentag weiß auf seiner Homepage eine spannende Internet-Geschichte zu erzählen: "Zwei Brüder meines Großvaters sind kurz nach der Jahrhundertwende in die USA ausgewandert. Von einem der beiden stammen tatsächlich alle heute in den USA lebenden Seelentags ab. Von dem anderen war in der Familie nur bekannt, dass er kurz nach der Einwanderung in die USA ledig und kinderlos verstorben sein soll. Dann bin ich im Social Security Death Index über eine mir bisher unbekannte Mabelle Seelentag gestolpert. Nach längerer Suche konnte nachgewiesen werden, dass sie die Witwe des Bruders war. Nur die Kinderlosigkeit scheint gestimmt zu haben."

Die Hauptarbeit hat dabei ein Amerikaner in San Francisco gemacht, nachdem Seelentag ihm bei seinen St. Galler Vorfahren viel geholfen hatte. Ein Kontakt, der ohne Internet nie zustandegekommen wäre.

Allerdings, wer hofft, durch wildes Herumsuchen im Internet seine Vorfahren zu finden, wird enttäuscht werden. Wer sich auf den Weg ins Internet macht, sollte zu Hause, sozusagen klassisch offline, die Geburts-, Hochzeits- und Sterbedaten der Eltern und Großeltern und die Mädchennamen weiblicher Vorfahren zusammenstellen.

Wichtig ist auch die räumliche und zeitliche Einordnung der Ahnen, damit sich die Suche nicht im Uferlosen verliert. Ulrich Hoffmann